Lost Places in Römerberg
Ende der 1950er Jahre machte der Landwirt Karl Müller auf seinem Acker, dieser befand sich in den sogenannten Schwarzwiesen, immer wieder erstaunliche Entdeckungen. Diese zeugen von einer historischen Schlacht.
Bereits Ende der 1950er, Anfang der 1960er machte der Landwirt Karl Müller auf seinem Acker unterhalb des Bründelsberg und der Hochstraße Heiligenstein-Lingenfeld, genannt die Schwarzwiesen, immer wieder erstaunliche Entdeckungen in Form verrosteter Metallklumpen. Nachdem er diese zuhause von Erde und Rost befreit hatte, kamen dabei jedes Mal Hufeisen zum Vorschein. Allerdings hatten diese teilweise kleinere Ausmaße, die nicht zu den Hufen normaler Ackerpferde passen konnten. Von einem Hufschmied, der Erfahrungen im Ersten Weltkrieg gesammelt hatte, erfuhr Müller, dass die Hufeisen eigentlich nur von Maultieren stammen konnten. Doch wieso in dieser Anzahl? Über 20 Exemplare hatte der Mechtersheimer gesammelt und sie auf einer Tafel an seiner Scheune aufgehängt.

Zeugen eines Weltgeschichtlichen Ereignisses
Um das Rätsel zu lösen, müssen wir über 300 Jahre zurückgehen. Wie so oft in der Geschichte war die Pfalz Schauplatz eines Krieges mit Frankreich, so auch im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 bis 1714). Im Jahr 1700 war der spanische König Karl II., ein Habsburger, kinderlos verstorben. Als Thronfolger bestimmte man den Enkel des regierenden Ludwig XIV., Philipp von Anjou, was jedoch von den anderen europäischen Mächten unter Führung des deutsch-österreichischen Kaisers Leopold I. wegen einer befürchteten Übermacht der Franzosen nicht akzeptiert wurde. England, Holland, Preußen, aber auch Johann Wilhelm, der in Düsseldorf residierende pfälzische Kurfürst, und andere deutsche Fürsten verbündeten sich mit Österreich.
Lediglich der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel schlug sich auf die Seite Frankreichs, dem dafür zusätzliche Ländereien, u.a. die Pfalz, sowie die Königskrone versprochen wurde.
Das Einfallstor nach Frankreich sollte die ein Jahrzehnt zuvor vom französischen General Vauban errichtete Festung Landau gegen deutsche Invasoren verteidigen. 1702 fiel die Festung in die Hände der Deutschen. Um ein Jahr später die Stadt zurück zu gewinnen, wurde Landau von einem französischen Heer umschlossen. Um diese Belagerung zu beseitigen, sammelte sich südlich des Speyerbachs ein kaiserliches Heer, das die Franzosen vertreiben sollte.

Hufeisen. Die Maultiere wurden als Transporttiere von der fran-
zösischen Armee genutzt. (Bild: H. Humbert)

frisch gepflügten Ackers wird deutlich, warum die Gewanne den
Namen trägt. (Bild: H. Humbert)
Memory zur Schlacht bei Heiligenstein

Schlachtvorbereitungen rund um Römerberg
Die hessischen, brandenburgischen und lüneburger Truppenteile sammelten sich Anfang November 1703 zwischen Dudenhofen und Berghausen. Speziell im Bereich zwischen Mechtersheim und Heiligenstein standen die Kurpfälzer. Die Außenflügel der Aufstellung wurden von Kavallerieverbänden gebildet, die Infanterie bildete den Mittelteil. Die Gesamtstärke des Heeres wird mit mind. 4000 Soldaten angegeben. Die deutschen Linien gingen mitten durch Heiligenstein, wo, außer in Speyer, die Stabsoffiziere teilweise ihre Quartiere hatten. Die Mannschaften waren jedoch zum Teil in einem schlechten Zustand, besonders die Pfälzer, und vielfach in zerrissener Kleidung und ohne Schuhe und Strümpfe unterwegs. Die Lager waren nicht besonders komfortabel, doch man argumentierte, dass man ja „des anderen Tages marschieren solle, Landau zu entsetzen“.
Am Vorabend der Schlacht beobachteten die deutschen Vorposten französische Kavallerie und einige Infanteriesoldaten. Bei Weingarten stieß man auf feindliche Reiter. Doch man gab sich der falschen Einschätzung hin, „die Franzosen würden zeitlebens das Herz nicht haben, uns zu beunruhigen, viel weniger anzugreifen,“ nachdem diese sich ja auch wieder zurückgezogen hatten. Die Nacht darauf war ruhig verlaufen. Zum Frühstück am 15. November gab es für die Offiziere kalten Braten und Rheinwein zur Feier des Namenstages von Kaiser Leopold, Teile der Mannschaft bekamen dafür leichtsinnigerweise die Erlaubnis, Speyer zu besuchen. Fatal für die Deutschen war, dass die Generalität nicht bereits an diesem Tag den Angriff geplant hatte, sondern sich in Speyer aufhielt, um das Leopoldsfest mit „Ergötzlichkeiten und Lustbarkeiten“ zu feiern.
In den späteren Berichten verschweigen die Generäle dieses Versäumnis. Einer von ihnen berichtet, dass „der Anfang gemacht wurde eine Schlachtordnung herzustellen, allein selbige wurde nie vollführt!“. Man wollte auch die Truppen nach dem langen Anmarsch die Tage zuvor noch schonen, wurde später argumentiert, obwohl das Fußvolk mit Wagen antransportiert worden war. Die Führung hielt gerade noch in Beratungen ab, als der Feind schon anrückte. Außerdem gab es regelrechte Streitereien zwischen den Generälen um die Kommandoführung. Der beteiligte hessische Erbprinz Friedrich rechtfertigte sich später, dass ihm die Gegend, in der die Schlacht stattfand, unbekannt war und man es den pfälzischen Generälen überlassen hatte, Kundschafter auszusenden


Kavallerie in den Schwarzwiesen
Damit sind wir nun bei den Funden des Landwirts Müller auf seinem Acker in den Schwarzwiesen, denn bei dem Gemetzel kamen auch sehr viele Tiere ums Leben, vermehrt auch Maultiere, die besonders im französischen Heer in der Kavallerie eingesetzt waren. Die Deutschen bezeugten später ebenso: „…das sumpfige Gebiet, welches unß den größten Schaden gethan“. Mehrere französische Bataillone hatten sich in dem Dickicht am Hang positioniert und schossen mit wenig Gegenwehr auf die deutschen Reiter, die nur noch versuchen konnten zu fliehen. Dadurch kamen sie jedoch ins Gehege mit der nachrückenden
eigenen Infanterie, was in ein ungeordnetes Chaos mündete. In anderen Abschnitten der Schlacht hatten die Franzosen ihr Bajonett auf die Gewehre gepflanzt und setzten den flüchtenden Feinden nach. Die kurpfälzischen Kanonen waren an die Pferde Mechtersheimer Bauern gespannt worden, um sie weiter nach vorne ins Kampfgeschehen zu bringen. Doch war dies zu spät und vergeblich. Die Artillerieausrüstung und das Begleitpersonal fiel in die Hände der Feinde. Was sich im nördlichen Kampffeld noch retten konnte, zog sich bei einbrechender Dunkelheit über den Speyerbach und am nächsten Tag Richtung Frankenthal und Mannheim zurück.
Die Folgen der Schlacht
Im Tageslicht war dann auch das Ausmaß der Todesopfer sichtbar. Der französische General meldete seinem König nach Paris, dass 4000 Mann getötet worden wären, man 2000 Gefangene gemacht und 50 Fahnen und 32 Kanonen erbeutet habe. „Von den 28 Bataillonen der Feinde seien 23 beinahe ganz in Reih und Glied getötet“. Als eigene Verluste wurden nur 400 Tote und Verwundete angegeben, was aber als Fälschung eingestuft werden muss. „Man hat niemals eine dergleichen blutige Schlacht noch einen so vollkommenen Sieg gesehen“, brüstete man sich. Doch später musste auch Frankreich zugeben, dass sie wohl selbst bis zu 4000 Mann verloren hatten. Auf beiden Seiten ließen auch Generäle, einige Obristen und zahlreiche Offiziere ihr Leben. Die Leichen lagen
„teils in Reihen und Gliedern den langen Weg von Heiligenstein und Berghausen entlang, verzettelt und verteilt“. Die Bewohner der umliegenden Orte legten Massengräber an, von denen noch heute massive Steinkreuze Zeugnis ablegen. Die Gefangenen wurden bis aufs Hemd ausgezogen und barfuß nach Landau getrieben. Speyer lag voll mit Verwundeten, die versorgt werden mussten. Doch außerhalb der Schlacht war es sogar möglich, einander wie normale Menschen zu begegnen. „Nunquam vidi talem confusionem.“ (Ich habe noch nie eine solche Verwirrung gesehen.), schrieb der französische Marschall de Tallard an den kaiserlichen Befehlshaber, der nach der Schlacht in Philippsburg residierte und dem er die Leiche eines gefallenen kurpfälzischen Reitergeneral überstellte.
Durch den Sieg kam die ganze heutige Pfalz in den Besitz der Franzosen. Die Schlacht am Speyerbach von 1703, auch Schlacht bei Speyer oder bei Dudenhofen genannt, teilweise auch in Unkenntnis des Ortes als „Schlacht am Heiligenstein“ bezeichnet, gehörte allerdings nicht zu den entscheidenden Ereignissen des Spanischen Erbfolgekriegs, vor allem weil die Kaiserlichen in diesem Fall die Schlacht verloren hatten und sich zurückziehen mussten. Erst durch die Schlacht bei Höchstädt an der Donau im August 1704, es war bereits die zweite Schlacht, die dort stattfand, zwang man die Franzosen und das mit ihnen in Koalition kämpfenden Bayern zum Rückzug. Nach weiteren Gefechten kam es erst nach mehreren Friedensschlüssen 1713/14 zur Beendigung der Erbfolgestreits in Spanien.
(Hartwig Humbert, Verein für Heimat- und Brauchtumspflege in Römerberg e.V.)

