
Imo Schäfer (1905-2001) war von 1934 bis 1954 Pfarrer in Mechtersheim. Im Jahre 1943 diente er als Sanitäter an der Ostfront, geriet danach in Kriegsgefangenschaft. Nach den Bombenangriffen vom 24. und 25. April 1944 sandte er seiner Gemeinde einen Brief. Diesem beigefügt war ein Gedicht, das er seiner Kirche und den Mechtersheimern widmete.
Text: Hartwig Humbert, Verein für Heimat- und Brauchtumspflege in Römerberg e.V.

Am 12. Mai 1944 sandte Pfarrer Imo Schäfer von der Front folgendes Gedicht seiner „lieben Mechtersheimer Gemeinde“:
Dir, Kirche meiner Heimat, hold vertraute,
Die du im Gluthauch der Verderbensmächte
In Trümmer sankst – o schrecklichste der Nächte! –
Dir sei das Bild geweiht, das ich erschaute:
Gleich Heilandsarmen, weit war deine Pforte
Und ward ein jeder gastlich aufgenommen.
Du frugst nicht nach, wo einer hergekommen,
Botst allen Rast am friedevollen Orte.
Gewaltig predigten der Orgel Töne
Von Gottes Majestät und ewiger Größe.
Ich spürte schaudernd meine Erdenblöße
Vor ihrer Stimme unentweihten Schöne. Doch von Altar und Kanzel strömte Gnade
Durch Wort und Sakrament auf Schuld und Fehle. Lobsingend schwang sich die erlöste Seele
Aus Macht und Not auf lichte Freudenpfade.
Und Klein und Groß, die Reichen wie die Armen,
Sie fühlten in der feiernden Gemeinde,
Wenn sie der Ruf der Glocken hier vereinte,
Sich eingehüllt in heiliges Erbarmen.
Denn nie besuchte einer dich vergebens,
War er bereit, in Andacht einzutreten.
Gestärkt zum Glauben, Hoffen, Lieben, Beten
Zog er als Sieger in den Kampf des Lebens.
Nun stehst du nicht mehr, Gottes Haus auf Erden.
Die Kriegsbrandfackel durfte dich vernichten.
Doch überm Schutt woll’n wir dich neu errichten:
Jetzt sollen unsre H e r z e n T e m p e l werden!


„HERR GOTT – DU BIST UNSRE ZUFLUCHT FUER UND FUER“
Interessanterweise war der Chorbogen über dem Altarraum mit dem Anfang des Mose-Psalms „HERR GOTT – DU BIST UNSRE ZUFLUCHT FUER UND FUER“ bei der Zerstörung der Kirche stehen geblieben, Anlass für Pfarrer Schäfer dazu seiner Gemeinde in Mechtersheim eine weitere Botschaft zukommen zu lassen:
Predigt der zerstörten Kirche
Menschen, bleibt in Ehrfurcht stehen!
Nehmet wahr!
Schauet, Augen, was geschehen
wunderbar:
Hier in eurem Gotteshause,
dessen Stolz
in der Bomben Flammenbrause
jüngst zerschmolz,
auf dem Bogen, sanft geschwungen,
vor dem Chor – so als ob’s die Feuerzungen plötzlich fror –
ist ein Spruch bewahrt geblieben
unverbrannt.
Hat es einmal eingeschrieben
Engelshand?
Will euch höllisch davor grauen,
dass in Nacht
sinken muß, was wir erbauen
mit Bedacht,
winkt dem Herzen, das da Ruh’ sucht
eine Tür:
„Herrgott, du bist unsere Zuflucht
für und für!“
Menschen, nicht vorüber gehen!
Denn fürwahr:
Wer’s erfasst, der wird bestehen
wunderbar.
Im Osten, 12.8.1944, Imo Schäfer