Lost Places in Römerberg
Nicht mehr erahnen lässt sich heute, wenn man vor dem heutigen Feuerwehrhaus, dem früheren Gemeinde- und Schulhaus in der Mechtersheimer Straße 39, steht, dass dort auch einmal ein Kelterhaus stand, das von den Dorfbewohnern gemeinschaftlich genutzt wurde.
Eine Karte aus dem Jahr 1791 zeigt die geplante Aufteilung der vom Oberamt Germersheim zurückgekauften Erbpachtgüter in nun 20 etwa gleich große Erbpachthöfe mit den Namen der Hofpächter. Der Plan zeigt auf einem ausgedehnten freien Platz ein kleines Gebäude mit der Bezeichnung „Keltherhaus“ und die Haus-Nummer 24.

Weinbau an den Hochufern des Rheins
Gekeltert wurde und wird überall dort, wo Wein angebaut und produziert wird. Es ist zu vermuten, dass die Hänge der Hochgestaden der früheren Altrheinarme, die günstig nach Osten und Südosten in Richtung Morgen- und Mittagssonne lagen, bereits zur Zeit des Eußerthaler Klosterguts in Mechtersheim für den Weinbau genutzt wurden. Der Zisterzienserorden war bestrebt, landwirtschaftliche Musterbetriebe zu betreiben und somit auch den Unterhalt des Klosters zu gewährleisten. Da das Pflügen auf dem abschüssigen Gelände früher oft nicht durchführbar war, wurden in den Hanglagen häufig Weinreben gepflanzt, die zudem dadurch stärker der wärmenden Sonnenbestrahlung ausgesetzt waren. In allen drei Römerberger Ortsteilen werden bereits im 16. Jahrhundert
Weingärten erwähnt, 1584 in Mechtersheim und 1588 in Heiligenstein. 1564 lesen wir in einem Bericht kurfürstlicher Räte, die die Verwaltung der ehemaligen Güter des Klosters Eußerthal nach dessen Auflösung um 1560 durch Kurfürst Friedrich, übernommen hatten, dass der Ertrag der Mechtersheimer Weinberge auf 8 Fuder Wein (ca. 85 Hektoliter) geschätzt wurde. Von den Erbpächtern, die nach den Kriegswirren des 17. Jahrhundert sich in Mechtersheim ansiedelten, wird berichtet, dass sie ein Drittel ihrer Weinernte an die kurfürstliche Güterverwaltung in Germersheim, die einem weltlichen Kollegium in Heidelberg unterstand, abzuliefern hatten. Doch, wohl auch durch die weiteren kriegerischen Unruhen bedingt, hatten die meisten Pächter bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts ihr Güter
aufgegeben. Als „Wingertsmänner“ finden sich im Mechtersheimer Ortsfamilienbuch um 1700 Johann Jakob Hoffelder, der 1856 nach USA ausgewanderte Johann Philipp Müller sowie Georg Heinrich Köhler (1813 – 1865). Danach werden beispielsweise Valentin Schehlmann (1823 – 1865), ein Andreas Mohr (1849 – 1895), dessen Sohn Adam Mohr (1875 – 1909) sowie Karl Mohr (1856 – 1898) als Winzer bezeichnet. Da der Weinbau in Mechtersheim ein landwirtschaftliches Nebenprodukt darstellte, werden die meisten Bauern, die auch Reben pflanzten, sich als „Ackermänner“ gesehen haben. Die zahlreichen Wirte im Dorf haben neben selbst gebrautem Bier wohl häufig ihren eigenen Rebensaft im Angebot gehabt.
Ein gemeinschaftliches Kelterhaus
Die 20 neuen Pächter im Jahr 1792 erhielten jeweils ca. 45 Morgen Ackerland (etwa 17 ha), 16 Morgen Wiesen (etwa 6 ha) und 1 ¼ Morgen Weinberge (etwa 47 Ar). Da das Kelterhaus auf dem Verteilungsplan erscheint, ist dieses bereits von einer der vorhergehenden Dorfgemeinschaften gebaut worden. Dazu schreibt Erich Becker in seiner Ortschronik:
„Es war 1787 aus den Trümmern einer alten Kapelle, die noch ein Überbleibsel aus der Zeit des Klosterhofes bildete, erbaut. Es hatte einen
Raum mit zwei Keltern und eine Wohnung für einen Herbstschreiber, der sich zu der Zeit der Weinlese auf dem Hofe aufhalten musste, um das der Geistlichen Güter- und Gefälleverwaltung zustehende eine Drittel des Ertrages an Wein in Empfang zu nehmen.“
Bernd und Klaus Lohrbächer errechneten für das Kelterhaus aufgrund der Planzeichnung eine Größe von 10 m x 6 m. Bei dieser Größe stellt sich die Frage der Art der beiden Keltern, die in der gemeinschaftlichen Einrichtung als Traubenpresse diente.


Die Weinkeltern
Eine Kelter ist eine Presse zur Gewinnung von Traubensaft oder Obstsäften (Duden), sie findet in der Weinproduktion Verwendung.
Baumkeltern hatten eine große Ausdehnung, so dass es kaum vorstellbar ist, dass davon zwei Exemplare in dem Kelterhaus Platz gefunden hätten. Zudem waren für deren Bedienung mehrere Kelterknechte erforderlich. Jedoch auch historischen Schrauben- oder Spindelkeltern benötigten eine größere Stellfläche. Die zu pressenden Trauben kamen in ein großes Hohlgefäß, das oben mit einem Deckel geschlossen wurde, der mit dem zunehmenden Drehen der Spindel auf die Früchte gedrückt
wurde. Anfang des 20. Jahrhundert entwickelten sich daraus die auf den einzelnen Winzerhöfen üblichen, kleineren Traubenpressen, die noch von Hobbywinzern verwendet werden. Im modernen Weinbau sind heute pneumatisch betriebene Tankpressen im Gebrauch. Heute lässt sich am Standort des ehemaligen Kelterhauses nichts mehr davon erahnen. 1827 baute Mechtersheim dort ein Schul- und Gemeindehaus, das vor der Errichtung der Kirchen von beiden Konfessionen als „Bethaus“ für die Gottesdienste genutzt wurde



Der Narrenberger
Die gesamte Hanglage entlang des Römerberger Hochufers trägt die Bezeichnung „Narrenberg“. „Der Narrenberger züngelt gern“, „welcher den Kopf so ganz stille beschleicht“ und er sei „hinsichtlich der Güte und Stärke den besseren Weinsorten zur Seite gestellt“, dies sind die Charakteristika, die den Römerberger Wein in historischen Quellen beschreiben. Ob der Name bei einer weinseligen Runde in einer Wirtschaft in einem der drei Ortsteile entstand oder ob er tatsächlich auf eine Legende vom Heiligen Bernhard von Clairvaux zurückgeht, können wir
nicht mehr wirklich feststellen. Der Heilige soll vor seiner Predigt im Dom 1146, als er zum Kreuzzug gegen Mameluken und Seldschuken aufrief, von Mönchen in Speyer einen Wein aus Berghausen serviert bekommen haben. Dabei soll er begeistert ausgerufen haben: „Dieser Wein ist eine Gabe Gottes! Wer ihn trinkt, wird nicht zum Narren!“ Den Pilgern soll er dann noch vermittelt haben: „Trinket ihn mäßig, bedenkt, er ist eine Gottesgabe!“ Sprachwissenschaftler gehen dagegen eher davon aus, dass das Wort Narrenberg vom „näheren Berg“ abzuleiten ist.


(Bild: Landesarchiv Speyer, Bestand W 1 Nr. 2099.
Lange Weintradition
Bereits ein halbes Jahrhundert früher als an der Haardt wurde in Römerberg Wein angebaut. Nicht weit entfernt vom Ortsteil Berghausen fand man im Jahre 1867 den ältesten flüssig erhalten gebliebenen Wein der Welt. In zwei römischen Gräbern, ein Männer- und ein Frauengrab, fand sich die Flasche neben anderen Grabbeigaben. Die beiden Sarkophage gehören zu mehreren Körpergräbern, die nach 300 n. Chr. am Speyerer Stadtrand entlang der römischen Rheinuferstraße angelegt wurden. In einem verfallenen Brunnenschacht in Berghausen fand man ein griechisches Winzermesser. Das Weinsesel (Heppel, in Berghausen „Hippe“) wurde 1827 zum Ortswappen. Angelegt waren die Anlagen, da unsere Vorfahren noch keinen Draht zur Verfügung hatten, an dem die Reben entlang wachsen, im Kammeranbau auf Holzgerüsten. Der jahrhundertalte Weinbau zeigt sich auch in den großen Gewölbekellern der alten Gehöfte in Berghausen, die den Speyerer Klöstern und dem dort wohnenden Klerus gehörten. Sie waren
meist als Zwischenlager gedacht. Vermarktet wurde der Wein in Speyer als Handelszentrum. Der Keller im früheren Bürgermeisteramt beim heutigen Zehnthaus (Berghäuser Str. 48) hat eine Fläche von 12 m x 12 m und liegt ca. 5 m unter der Erdoberfläche. Für den Aushub von über 700 m³ wären heute ca. 90 Lastwagenladungen zum Abtransport notwendig. Das Gelände wird in alten Dokumenten als Zehnthof des Bischofs und des Domkapitels beschrieben. Dort konnte in großen Fässern eine Menge Wein gelagert werden. Auch in Heiligenstein kann frühzeitig Weinbau nachgewiesen werden. In einem Dokument über den ersten „Schulmeister“ des Dorfes, Leonhard Lentz, ist festgehalten, dass der arme Pädagoge sich etwas dazu verdiente, indem er 1617 bei der Lese der Trauben in Berghausen und Heiligenstein, Aufsicht führte, dass „recht gezehendt werde“ bei der Abgabe an das Speyerer Domkapitel. „Seiner Mühe halber“ erhielt er dafür ein Malter Korn (ca. 125 Liter) vergütet. Einige Jahre später sollte er sogar ein „halb
fudriges faß zur herbst fuhr“ zur Verfügung stellen, weil man in Speyer nicht mehr genügend Fässer hatte. Wo er dieses dann herzauberte, ist nicht überliefert. Heute befindet sich nur noch vier Winzerbetriebe in Römerberg, in denen professioneller Weinbau betrieben wird. Doch eine ganze Reihe Weingärten werden auch nebenberuflich oder hobbymäßig betrieben. Die Einzellagen Oberer und Alter Berg sowie der Narrenberg werden zur Großlage Trappenberg gerechnet, in der Rheinebene zwischen Fischlingen und Schwegenheim entlang von Triefenbach, Hainbach und Queich gelegen. Allerdings sind die Römerberger Weinlagen die am weitesten östlich sowie mit teilweise unter 100 m über Normalnull die am tiefsten gelegenen Weinlagen der Pfalz.
(Hartwig Humbert, Verein für Heimat- und Brauchtumspflege in Römerberg e. V., mit Ergänzungen von Willi Kögel, 2024)
